Die in unserer Datenbank erfassten Fälle weisen auf eine deutliche Zunahme von Ermittlungen als auch von rechtsterroristischen Aktivitäten in den letzten Jahren hin. Damit geht auch eine erhöhte Gefahr für die demokratische Gesellschaft und insbesondere für die als Feindbilder markierten Menschen einher. Um diesem steigenden Trend entgegenzutreten und um auf diese Entwicklung mit Präventionsmaßnahmen reagieren zu können, gibt es einige Erfolg versprechende Ansätze:
Es müssen Strukturen und juristische Möglichkeiten geschaffen werden, die eine effiziente und an die gegenwärtige Entwicklung angepasste Strafverfolgung gewährleisten. Ein verstärkter Fokus auf digitale Orte durch Ermittlungsbehörden ist erforderlich. Lose digitale Netzwerk- und Gruppenstrukturen sind immer häufiger Ausgangspunkt für Radikalisierung und Tatplanung. Sicherheitsbehörden müssen ihre Arbeit an diese veränderten Radikalisierungswege anpassen.
Psychische Erkrankungen von Täter:innen dürfen nicht die politische Komponente, insbesondere die ideologische Motivation im Hinblick auf die Auswahl der Anschlagsziele, verdrängen. Selbst wenn psychische Faktoren eine Rolle für die Tat gespielt haben, erklärt die Ideologie, an wen sich die Tat gerichtet hat. Medien sollten auf die Verbreitung unverpixelter Bilder oder die volle Namensnennung von Rechtsterrorist:innen verzichten. Einzeln ausführende Täter:innen fühlen sich auch durch das Streben nach Ruhm und Anerkennung motiviert. Nachahmer:innen können durch eine solche Mediendarstellung zu Folgetaten inspiriert werden. Deshalb sollten Rechtsterrorist:innen keine zusätzliche Aufmerksamkeit erhalten.
Gerade weil Taten vermehrt von Minderjährigen geplant werden, müssen Eltern über terroristische Subkulturen informiert werden. Zudem braucht es mehr Forschung über den Start dieser Radikalisierungswege. Gerade in Bezug auf junge Menschen fehlt es an Wissen. Deutsche Ermittlungsbehörden müssen den Austausch und die Zusammenarbeit mit internationalen Partner:innen vorantreiben. Aktuelle Wissensstände und Methoden müssen besser in die Behördenarbeit integriert werden.
Auf Plattformen wie Telegram können terroristische Sub-Communitys nach wie vor nahezu ungestört existieren. Die Mitglieder dieser Sub-Communitys müssen mehr Verfolgungsdruck bei strafbaren Aktivitäten durch die Ermittlungsbehörden erfahren. Auch die Betreibenden der Plattformen selbst müssen über das Bundesinnenministerium in die Verantwortung genommen werden, gegen strafbare Inhalte vorzugehen.
In rechtsextremen Protestgeschehen schließen sich gewaltbereite Einzelakteur:innen in neuen Gruppen zusammen und sehen sich durch die Proteste in der Begehung rechtsterroristischer Taten bestärkt. Hier müssen alle rechtlichen Mittel im Rahmen der Ermittlungen genutzt werden, um die Strukturen richtig einordnen und frühzeitig auf sich anbahnende Gefahrenpotenziale reagieren zu können. Dies gilt auch für von Sicherheitsbehörden häufig als „Mischszene“ beschriebene Milieus wie Querdenken.
Verschwörungsideologische Erzählungen bilden vielfach die ideologische Basis für rechtsterroristische Gruppen und dienen als Rechtfertigung für Gewaltakte. Das Gefahrenpotenzial dieser Erzählungen muss in der medialen Berichterstattung, in Ermittlungen und Gerichtsprozessen berücksichtigt werden. Die Systeme von Generalstaatsanwaltschaften sollten so organisiert sein, dass spezifische Datenabfragen nach Abschluss der Ermittlungen durch Forscher:innen und Journalist:innen im Kontext Rechtsterrorismus möglich und die entsprechenden Datensätze digitalisiert worden sind. Pressemitteilungen sollten archiviert und für die Öffentlichkeit zugänglich bleiben. Dies kann dabei helfen, die Arbeit von Strafverfolgungsbehörden über einen langen Zeitraum besser nachzuvollziehen und das Ausmaß der rechtsterroristischen Bedrohung besser einzuschätzen.
Um langfristige Lösungen zu finden, ist es nötig, Rechtsterrorismus nicht nur auf der Symptomebene zu bekämpfen, sondern sich auch mit seinen Ursprüngen auseinanderzusetzen und ihn als gesellschaftliches Problem zu begreifen. Dabei sollten vor allem Forscher:innen und zivilgesellschaftliche Akteur:innen eingebunden und in ihrer Arbeit unterstützt werden.
Gerade mit Blick auf internationale Anschläge durch Täter, die aus der sogenannten „Incel[1]“-Szene kommen, spielt Männlichkeit nicht nur eine zentrale Rolle in der Ideologie, sondern prägt die Tatmotivation maßgeblich. Hierzu müssen Präventions- und Aufklärungsangebote gefördert werden, die sich gleichermaßen an staatliche wie auch gesellschaftliche Institutionen richten. Vor allem junge Männer und Minderjährige müssen mit diesen Angeboten erreicht werden.
[1] Incel steht für „involuntary celibate” (unfreiwillig zölibatär). Der Begriff wurde in den 1990er Jahren als Selbstbeschreibung von Betroffenen im Rahmen von Selbsthilfeforen genutzt. Daraus spalteten sich in den Folgejahrzehnten jedoch männliche Gruppierungen ab, die daraus identitäre „beta“-Männlichkeitsvorstellungen und Misogynie entwickelten, vgl. Dittrich und Rathje (2019).